YouTube’s Balanceakt zwischen Qualität und Quantität
Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das Fass zum Überlaufen kommt: am 19. Oktober 2015 titelte Spiegel Online „Propaganda und Profit: YouTube zeigt Werbung vor rechten Hetz-Videos.“ Nicht selten wird YouTube als Propagandaplattform von Hetzern aller Art und weltweiter Herkunft missbraucht. Als international führendes Video-Portal für User Generated Content ist es ein sehr komplexes Unterfangen, alle Videos zu kontrollieren, die auf YouTube hochgeladen werden. 2014 waren es pro Minute durchschnittlich 300 Stunden Videomaterial. Eine manuelle Überprüfung ist undenkbar, die eingesetzten Algorithmus-Methoden scheinen auch noch nicht überall zu greifen bzw. sind eben auch abhängig von den Informationen und den Keywords, mit denen der dahinterstehende, im Falle von Hetzvideos illegal handelnde Publisher das Video versieht. So kann es passieren, dass sich Werbe-Spots von Edeka oder Henkel plötzlich vor Hetzvideos wiederfinden. Der Ärger bei den Werbetreibenden ist gross. Auch Schweizer Unternehmen sind davon betroffen.
Dieses Problem betrifft aber nicht nur die Unternehmen, die YouTube als Werbeplattform nutzen. Auch sind Unternehmen und Institutionen betroffen, die YouTube als Portal für die Bewirtschaftung ihrer eigenen Video-Inhalte verwenden. Konkretes Beispiel: Die Präventionsabteilung der Stadt Zürich publizierte Ende 2012 ein gut gemachtes und wichtiges Video zum Thema Laserpointer und deren Gefahren für Piloten und Chauffeuren auf dem eigenen YouTube-Channel.
Nach Betrachten des Videos wird YouTube alles daran setzen, den User auf dem Gesamtportal bzw. im eigenen Ökosystem zu halten – schliesslich verdient bzw. verdiente der Videogigant mit dem Ausspielen von Videowerbung sein Geld (Anmerkung: mit der Einführung von YouTube Red vom 22. Oktober 2015 scheint diesbezüglich eine Strategieanpassung vorgenommen worden zu sein). Ein wirksames Instrument dafür ist das Anzeigen von thematisch ähnlichen Videos. Im Falle der Laserpointer-Präventionskampagne erscheinen plötzlich Videos mit weiterführenden Informationen zu Laserpointer und wie diese korrekt eingesetzt werden. In Anbetracht der Klickzahlen (Video „Laserblendungen – gefährlich und illegal“ 784; Video „Green laser pointer – 50mW vs 10mW / zielony laser wskaźnikowy 50mW vs 10mW“ 25’549) ist es vermessen zu sagen, dass die Stadtpolizei Zürich die Klickzahlen solcher Informationsvideos zu Laserpointer befeuert. Aber alleine diese Nähe zu solchen Inhalten erscheint kritisch und zeigt offenkundig die Risiken, die der Einsatz von YouTube bei der Bewirtschaftung der eigenen Videos mit sich führen kann.
Nichtsdestotrotz: YouTube als weltweit grösstes Videoportal und wichtige Suchmaschine muss einen Platz in der eigenen Video-Distributionsstrategie haben.